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BSG Chemie Leipzig – 1. FC Lokomotive Leipzig 0:1 (0:0) n. V.

Schwamm drüber – der Fußball hat gewonnen!

Im Viertelfinale des Sächsischen Landespokals kam es im Leutzscher Alfred-Kunze-Sportpark zum Aufeinandertreffen der BSG Chemie Leipzig mit dem 1. FC Lokomotive Leipzig.

Nachdem die Paarung ausgelost wurde, stockte einigen bestimmt erst einmal der Atem. Vor 31 Jahren fand die Partie zwischen den langjährigen Rivalen zum letzten Mal unter den alten Namen statt – damals noch in der DDR-Oberliga, dem Fußball-Oberhaus – und endete mit 1:0 für die Lok. An das Hinspiel ein halbes Jahr vorher, das aus chemischer Sicht mit 0:4 verloren ging, kann ich mich noch gut erinnern: Als 13-Jähriger saß ich eingeflankt von meinem Onkel und meinem Vater im Zentralstadion, dem heutigen Tempel des Kommerzfußballs.
Nach der Wende traten dann die Nachfolgevereine FC Sachsen Leipzig und VfB Leipzig jenseits des bezahlten Fußballs gegeneinander an, bis nach einigen Neuanfängen nun wieder „Chemie gegen Lok“ auf die Tickets gedruckt werden durfte.
Je näher das Derby rückte um so mehr überschlugen sich die reißerischen Schlagzeilen in den Medien: Vom „Hooligan-Gipfel“ und „Hass-Derby“ war deutschlandweit zu lesen. Jedem Fußballfan war eigentlich klar, dass wenn es wie in der Vergangenheit zu den sogenannten „unschönen Szenen“ kommt, der Fußball verliert.
Sportlich gesehen spielte ein Oberligist gegen einen Regionalligisten – ein fußballerischer Leckerbissen war also nicht zu erwarten. Das heißt, das große mediale Interesse beschränkte sich doch mehr auf das Geschehen abseits des grünen Rasens, obwohl das ja die Bilder sind, die hinterher angeblich „keiner sehen will“.
Als Chemiker war klar, dass ich an dem Tag in Leutzsch bin. Sonntags morgens ging es mit einem befreundeten Arbeitskollegen sowie einem weiteren Bekannten, der für das Medium „11 Freunde“ Fotos schießen sollte, von Frankfurt aus nach Leipzig.
Fünf Liter Apfelwein waren ebenfalls mit am Start und sorgten für gute Laune. In Fulda stieg ein weiterer Chemiker zu, der mittlerweile in Würzburg lebt und so kamen wir zu viert am Leipziger Hauptbahnhof an. Dort wartete noch ein Leutzscher Anhänger auf seine Eintrittskarte, die einen Umweg über die Mainmetropole genommen hatte.
Gemeinsam ging es dann mit einer proppevollen S-Bahn nach Leutzsch. Auf dem Weg zum Sportpark überholten uns zwei Wasserwerfer und ein Räumpanzer der Ordnungsmächte. Die erwarteten verschärften Kontrollen blieben aber aus und der angekündigte Sicherheitsring um das Stadion bestand nur aus verwaisten „Hamburger Gittern“.
Nachdem der „Äppler“ verzehrt war, gingen wir erst einmal in „die Mücke“, eine Gartenkneipe in unmittelbarer Stadionnähe. Da das Derby ja als „Hochsicherheitsspiel“ ausgerufen war, gab es im Stadion auch keinen Alkoholausschank und die Mücke ist in solchen Fällen ein guter Geheimtipp für ein leckeres Essen und gutes Bier vorm Spiel.
Zum Spiel selber gibts wenig zu schreiben: Torraumszenen waren fast über 90 Minuten Mangelware, dafür bestimmte der Kampf um jeden Ball das Geschehen. In der Verlängerung machte sich dann die Überzahl der BSG Chemie bemerkbar: Lok-Akteur Steffen Fritzsch hatte bereits in der 61. Minute, nach einem sehr rüden Foul, die Rote Karte gesehen. Florian Schmidt und Alexander Bury hatten gute Möglichkeiten. Die größte Chance des Spiel hatte Bury dann in der 97. Minute: Sein Freistoß-Hammer donnerte gegen den Innenpfosten und sprang ins Toraus.
Im zweiten Abschnitt der Verlängerung hatte Manuel Wajer noch eine dicke Möglichkeit, traf aber aus Nahdistanz nur Lok-Keeper Julien Latendresse-Levesque (114.). Drei Minuten später erzielte der Japaner Hiromu Watahiki dann mit einem Sonntagsschuss den einzigen Treffer des Spiels.
Lange Gesichter gab es nach dem Schlusspfiff aber nicht: Chemie hatte aufopferungsvoll gekämpft und ein Klassenunterschied war nicht zu sehen. Die Mannschaft wurde dafür von den Fans gefeiert.
Wir zogen nach dem Spiel noch in den Leipziger Stadtteil Connewitz. Nach ein paar Bieren und „Pfeffies“ machten wir uns dann auf den Heimweg zurück nach Frankfurt. Da es rund um das Spiel ruhig geblieben war, gab es für mich nur einen verdienten Sieger – nämlich den Fußball.

 

(gie)

 

 

Sachsenpokal Viertelfinale: BSG Chemie Leipzig – 1. FC Lokomotive Leipzig

Endstand: 0:1 (0:0) n. V.

Tore: 0:1 Watahiki (117.)

Zuschauer: 4999

Ort: Alfred Kunze Sportpark / Leipzig

Datum: Sonntag, 13.11.2016